Freitag, 27. Juni 2008

Heute ...


... hat mein Bruder Geburtstag. Oder muss man jetzt sagen "hätte"? Das ist schon sehr seltsam. Hätte ich vor einem Jahr nicht gedacht, dass er an seinem Geburtstag 2008 genau 4 Monate tot sein wird. Viel gibt es nicht zu sagen - zumindest nicht auf einem Blog. Ich hab ihm einen Brief geschrieben, das war gut. Hab ihn aber nicht abgeschickt. Wohin auch ... Ich vermisse ihn in meinem Leben. Jeden Tag. Weiß nicht, ob das irgendwann anders wird. Mal sehen. Er ist definitiv zu früh gestorben! Aber ich bin Gott dankbar für die Jahre, die wir zusammen hatten. Ich hätte keinen anderen gewollt.

Freitag, 20. Juni 2008

Garten Eden


Gestern habe ich ein ganz erstaunlich tolles Geschenk von Steffie und Susanne bekommen. Das beste, was man mir gerade schenken kann. Und zwar haben sie meinen Balkon bepflanzt!
Zur Vorgeschichte sollte ich erwähnen, dass ich vor 6 Wochen meinen Balkon schon einmal bepflanzt habe und mich jeden Tag an den Blumen erfreut habe - bis die Blattlaus kam. Ich habe alles versucht um sie zu bekämpfen, aber sie hat gewonnen und meinen Balkon zu einem Blumenfriedhof gemacht. Ich hab das irgendwie echt persönlich genommen. Weiß auch nicht, hat mich irgendwie so richtig traurig gemacht. Irgendwie wollte ich keinen Blumenfriedhof auf dem Balkon, weil ich finde, dass nicht alle(s) um mich herum sterben sollen - auch wenn es nur Blumen sind. Also ich weiß, dass ich extrem persönlich gekränkt auf das Wüten der Blattlaus reagiert habe - ja, ich weiß das. Ich glaube, ich redete mindestens 2 Wochen jeden Tag über die Blattlaus, die alles umgebracht hat. Nun gut, ab und zu überlegte ich, ob ich eben alles neu bepflanze und wieder Leben schaffe und kam jedesmal zu dem Schluss, dass ich zu schwanger dafür bin und einfach keinen Bock darauf habe Tonnen von verlauster Erde die Treppen rauf und runter zu tragen. Schließlich mied ich sogar den Balkon!
Und nun haben Steffie und Susanne meinen gesamten Balkon renoviert. Alles Tote ist weg und überall blüht und grünt es. Das war so ein richtig tolles Geschenk!!!
Danke!!!

Samstag, 14. Juni 2008

14 Wochen

Heute ist es 14 Wochen her. Kommt mir auf der einen Seite vor als wären es schon Jahre und auf der anderen als wäre es gestern geschehen. Vielleicht zähl ich irgendwann nicht mehr die Wochen. Wäre schön.

Dienstag, 10. Juni 2008

Eine Spezies für sich

Haben am Wochenende einen Geburtsvorbereitungskurs gemacht. Man muss ja schon so in etwa wissen, was da so passiert. Solche Kurse sind so ne Sache, finde ich. Aber Kuky und ich waren sehr tapfer. Ein bunt gemischter Haufen aus Ingenieuren, Soldaten, Bankern und eben uns. In vielen Situationen waren wir die einzigen, die gelacht haben oder eben die einzigen, die nicht gelacht haben. Wir waren auch die einzigen, die sich nicht auf der email-Liste eingetragen haben auf der man sich eintragen sollte um sich später Babyfotos zu schicken. Ich will keine 20 Babyfotos von irgendwelchen Leuten zugemailt bekommen. Ich gebe zu, dass ich diesen Kurs schrecklich fand! Hat nix mit den Hebammen zu tun, die haben das super gemacht, aber so viele Schwangere auf einen Haufen - da kriege ich einfach Angst. Ich kam mir vor wie bei Star Trek, wenn die da so einen neuen Planeten erkunden und eine neue Spezies antreffen, die Spezies der Dickbäuche, die nur über Ödeme, Dammrisse und Stillen reden. Versteht mich nicht falsch, das ist ja auch alles wichtig, aber ich krieg bei sowas Angst und werde desillusioniert. Desillusioniert von der vermeintlichen Illusion, dass das schon alles gut laufen wird. Vielleicht funktioniere ich da auch einfach anders. Ich mache mir besser keine Sorgen und finde es dann bestätigt, dass ich mir keine Sorgen machen musste, weil schon alles ok wird. Aber dann gibt es eben den Sorgentypen, der bzw. die sich alle erdenklich schlimmen Szenarios ausmalt um dann gut gewappnet zu sein. Aber eben neben diesen Sorgentypen darf man mich nicht zu lange setzen, sonst werde ich deprimiert und denke, dass Kinderkriegen scheiße ist. Dabei ist das doch was normales. Und glücklicherweise kenne ich einige dieser normalen Mütter. Ich finde Sorgenmachen an sich auch nicht so schlimm, aber interessanterweise drehen die, die echt Probleme in der Schwangerschaft haben gar nicht so auf.
Am Ende flog das übrigens auch auf, dass wir als Einzige nicht auf der Liste stehen. Ich wurde nämlich von L. gefragt, ob ich mit ihr zu Rückbildungsgymnanstik gehen wolle und vielleicht Kaffee trinken, weil "Du bist ja bestimmt auch im Mutterschutz und langweilst dich den ganzen Tag zu Tode!". Das war eine der schlimmsten Fragen, die man mir stellen konnte an diesem Wochenende und das mit der Langenweile fand ich auch schlimm. Macht Ihr denn alle sonst nix im Leben??? Mir ist nicht langweilig! Auf jeden Fall meinte sie dann, "ich ruf dich mal an", ich sagte dann: "ja, dann muss ich dir meine Telefonnummer geben", sie dann vor versammelter Schwangerenspezies "habt Ihr euch gar nicht auf die Liste eingetragen?" Ich "nein", um den Tisch Totenstille, eine andere Frau "Aber wollt Ihr denn gar keine Babyfotos von uns?" und "Aber wir wollen uns dann doch mit den Babys zum Babysfrühstück treffen.". Eine doofe Situation ... wir kamen dann doch irgendwie raus ...
Nun frage ich mich - Sind wir seltsam, weil wir kein Interesse an dem Babyfrühstück hatten??? Und auch nicht an den Babyfotos?? Nee, oder?!?

Sonntag, 1. Juni 2008

12 Wochen

12 Wochen ist es nun her, dass mein Bruder Garry gestorben ist. Einfach so. Ohne, dass ich es geahnt hätte und wahrscheinlich auch ohne, dass er es geahnt hat. Seltsam ist es, dass es der Geburtstag meiner Mutter war. Feiern will sie den nun nicht mehr. Kann ich verstehen.

Hinter mir habe ich nun die schlimmsten 12 Wochen meines Lebens und was für Wochen vor mir liegen, das weiß ich nicht. Ganz offensichtlich weiß man nie was kommt. Ich weiß nur, dass in mir ein Baby wohnt, das in den ungefähr 5 Wochen rausgepurzelt kommt. Ich hoffe, es purzelt. Ich finde, das hätte ich mir verdient. Das muss Gott irgendwie alles gut machen.

Was gibt es noch zu sagen über die letzten 12 Wochen? Gar nichts und vieles. Trauer ist ein seltsames Ding. 8 Wochen hat sie mir jede Lebensenergie genommen. Mich gelähmt. Paralysiert. Das geht. Wusste ich vorher nicht, aber es geht. Man kann 8 Wochen auf dem Sofa sitzen und weder weinen, noch reden, noch sich bewegen. Der Körper tut weh. Will nicht mal aufstehen um was zu essen. Einfach da sitzen, versuchen den Tag rumzukriegen und zu hoffen, dass alles besser wird je weiter das tragische Ereignis zurückliegt. Irgendwann stellt man fest, dass der der behauptet hat, dass die Zeit alle Wunden heilt gelogen hat. Stimmt nicht. Die Zeit heilt nichts! Überhaupt nichts. Vielleicht lässt sie irgendwann wieder so eine Art Alltag zu. Vielleicht auch nicht.

Seit 12 Wochen wache ich jeden Morgen mit dem Gedanken auf „Garry ist tot.“ Manchmal ist es ein rein informativer, rationaler Gedanke und manchmal trifft er mein Herz und erschlägt er mich genauso intensiv wie in dem Moment in dem ich er erfahren habe oder in dem Moment, wo ich es meiner Mutter sagen musste (das will man nicht! Das ist so schlimm!). Ich bin völlig aus der Bahn geworfen. Als würde ich es zum ersten Mal hören. Dann bin ich fassungslos und eine Art Panik überkommt mich, weil ich denke, "er sollte doch Onkel werden", "ich wollte ihn doch demnächst besuchen", „ich muss ihm doch noch ein paar Sachen sagen“, "ich hatte noch nicht genug Zeit mit ihm" und „hätte ich doch besser zugehört und zugeschaut, was er sagt, worüber er nachdenkt, wie er sich bewegt“.

Garrys Tod ist das Schlimmste, Traurigste, Einschneidendste und Herausfordernste, was ich je erlebt habe. Ich muss mich damit arrangieren und die Hand Gottes festhalten, die er mir gereicht hat. Aber ich habe festgestellt, dass ich mir nicht einbilden brauche, dass irgendwann alles wie früher wird. Wird es nicht. Mein Bruder ist weg. Tot. Das ist nicht zu ändern. Die Lücke ist da. Die bleibt. Die wird niemand füllen. Aber Jesus ist da und sagt, dass er mich trägt und tröstet mich. In Psalm 30 steht: „Du hast mein Klagelied in einen Freudentanz verwandelt, mir statt des Trauerkleids ein Festgewand gegeben.“ Das will ich.

Seit einigen Wochen versuche ich nun wieder normale Dinge zu tun. Das klappt ganz gut. Manchmal hilft es sogar. Aber immer mal wieder dazwischen gibt es wieder so einen Tag an dem nichts mehr geht. Dann tut mir mein Körper weh und mein Herz und ich kann und will mich nicht bewegen. Vielleicht ist das einfach so. Wahrscheinlich.

Meine Freundin Laura hat gesagt „Trauer ist die einsamste Sache der Welt“. Ein bisschen hat sie recht. Jeder hat seinen eigenen Verlust und muss damit fertig werden. Ich kann meiner Mutter den Schmerz nicht abnehmen und seiner Freundin Grit auch nicht. Sie mir auch nicht. Höchstens unterstützen und einander Geschichten erzählen, das können wir. Leute, die niemanden haben in so einer Zeit tun mir so leid!!! Ein Mann wie meiner ist das Beste, was es gibt. Keine blöden Fragen oder Kommentare und immer da.

Und eben Jesus. Die Zeit heilt keine Wunden. Jesus schon. Ich warte.